EnBW verspielt Chance auf Führung beim Gasimporteur VNG
Stand: 01.02.2010
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Karlsruhe - Der Energiekonzern EnBW hat seine Chance verspielt, die unternehmerische Führung beim drittgrößten deutschen Gasimporteur zu übernehmen, der VNG in Leipzig. Nun hat der mächtige russische Energiekonzern Gazprom den Karlsruhern das Paket vor der Nase weggeschnappt. Sitzt die EnBW, wie es das "manager-magazin" jüngst formulierte, jetzt in der "Strategie-Klemme"? Keinesfalls, heißt es bei der EnBW. Die VNG ist zwar in der bisherigen EnBW-Strategie ein wichtiger Baustein zur Ausweitung des Gasgeschäfts. Das drittgrößte deutsche Stromunternehmen mit Sitz in Karlsruhe sieht hingegen noch andere Optionen.
"Wir sind nicht auf eine Mehrheit bei VNG fixiert", betonte ein Unternehmenssprecher. Alle wichtigen strategischen Ziele für das Jahr 2009 wie den Ausbau der Erzeugungskapazitäten habe die EnBW erreicht. Und im Übrigen: "Geduld ist auch eine unternehmerische Tugend."
Ein Rückschlag dürfte es dennoch sein. Schließlich setzen die Baden-Württemberger auf das Gasgeschäft große Hoffnungen - auch weil sie auf keine eigenen Primärenergievorkommen wie Kohle oder Gas zurückgreifen können und bisher vor allem als Atomstromer stark waren. "Wir wollen im Gasbereich signifikant wachsen", hatte Villis vor einem Jahr angekündigt: Dazu waren die Karlsruher mit 26 Prozent beim Oldenburger Energieversorger EWE eingestiegen.
Die Niedersachsen haben ein starkes Gasgeschäft und halten 48 Prozent am Gasimporteur VNG. Diese Anteile hat sich die EnBW als Kaufoption gesichert und dafür vom Kartellamt grünes Licht bekommen - unter der Auflage, dass sie sich von der sächsischen Beteiligungsgesellschaft GESO trennt. Mit dem Fünf-Prozent-Paket, das jetzt Gazprom übernommen hat, hätte die EnBW das Sagen bei dem Unternehmen VNG gehabt, das Gas aus Russland sowie Norwegen importiert und es an Stadtwerke und Industriekunden verkauft.
Die Russen halten künftig insgesamt nur 10,52 Prozent an der VNG; zusammen mit dem 15,79-Prozent-Anteil des Partners Wintershall könnten sie aber auf eine Sperrminorität bei dem begehrten Gasimporteur kommen. Damit sei Bestrebungen, die Kontrolle über VNG zu bekommen, ein Riegel vorgeschoben, hieß es aus Kreisen sächsischer Kommunen. Sie halten über die Verbundnetz Gas Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft (VuB) 25,79 Prozent an VNG.
Alle Anstrengungen der EnBW also umsonst? Nein, sagen Insider. Zum einen sei die Gazprom-Aufstockung nicht vom Kartellamt abgesegnet. Und selbst wenn, so sehen EWE und EnBW durchaus Chancen, mit den Kommunen doch noch ins Geschäft zu kommen. Zwar gab es um die Macht beim begehrten Leipziger Gasimporteur monatelang erbitterten Streit. EWE wollte über den Kauf kommunaler Anteile die Mehrheit erlangen, war aber am massiven Widerstand der VuB gescheitert.
Im Südwesten hält man aber zumindest gemeinsame Abstimmungen für möglich. Schließlich wolle die VNG nicht reiner Verteiler sein, sondern habe auch Interesse an Gas-Kraftwerken oder an einer eigenen Gas-Förderung - etwa in Norwegen. Es gebe "konstruktive Ansätze zur Kooperation", heißt es hinter vorgehaltener Hand.
Mit oder ohne VNG: Am Oldenburger Versorger EWE will die EnBW festhalten. Man hat gemeinsame Perspektiven - von der besseren Beschaffungsposition bis hin zu Beteiligungen bei Gasspeichern, Flüssiggasterminals oder Pipelines.
War das EWE-Engagement mit zwei Milliarden Euro am Ende doch zu teuer? Entsprechende Zeitungsberichte werden von EnBW-Seite zurückgewiesen. "Die EWE ist ein Wert an sich", heißt es. Auch ein angeblicher Dissens im Vorstand wegen des Themas wird verneint. Und Grummeln im Aufsichtsrat? Die EnBW-Großaktionäre - der französische Stromkonzern Electricité de France (EdF) und der Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW) mit jeweils 45,01 Prozent - schweigen.
Zwar dürfte EnBW-Chef Villis die Bilanz seines Unternehmens (Umsatz 2008: 16,3 Milliarden Euro) in wenigen Tagen (9. Februar) ohne seinen Finanzvorstand Rudolf Schulten vorstellen. Dies aber nur, weil jener ernsthaft erkrankt ist, betonte ein Sprecher.