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Deutsches Erdgas für Kiew? Industrie hält sich bedeckt

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa

Essen/Kiew - Als der russische Staatskonzern Gazprom Anfang Januar 2009 im Gasstreit mit der Ukraine die Pipelines durch das Nachbarland abdrehte, drohte weiten Teilen Osteuropas eine schwere Versorgungskrise. Der Eon-Ruhrgas-Konzern reagierte schnell. Er mobilisierte alle Speicher und stellte in wenigen Tagen Hilfslieferungen nach Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Ungarn, Serbien, Slowenien und in die Slowakei auf die Beine. Die Kältekatastrophe blieb aus, bis sich Russland und die Ukraine wieder auf eine Belieferung einigten.

Der Erfolg der Essener galt als Beispiel dafür, dass man die übliche Gasflussrichtung von Ost nach West auch "umdrehen" kann. Angesichts der aktuellen Drohungen Moskaus mit einem Gaslieferstopp gegen die Ukraine und der Ankündigung, die Gasrabatte für die Ukraine Anfang April zu streichen, wird diese Idee wieder eifrig diskutiert. Doch die deutschen Versorger halten sich beim Thema Lieferungen für die Ukraine auffällig bedeckt und wollen sich ganz offensichtlich nicht in die politisch aufgeheizte Debatte hineinziehen lassen.

RWE wollte sich zu dem Thema am Montag gar nicht äußern. Deutschlands größter Energiekonzern Eon schließt eine Lieferung zum jetzigen Zeitpunkt aus: "Pläne, die Ukraine mit Erdgasreserven aus Deutschland zu versorgen, existieren bei Eon nicht", erklärte ein Sprecher auf Nachfrage.

Deutsche Speicher sind voll

Dabei ist Gas reichlich vorhanden: Die deutschen Speicher sind nach dem sehr milden Winter noch zu rund 60 Prozent voll, wie der Branchenverband BDEW betont. Deutschland verfüge über ein leistungsfähiges Erdgasnetz und die größten Gasspeicherkapazitäten in der EU. RWE hat sogar einen Rahmenvertrag mit dem ukrainischen Energiekonzern Naftogaz, der eine Option zur Lieferung von jährlich bis zu 10 Milliarden Kubikmetern Gas vorsieht. Aber noch gebe es keine Anfragen aus Kiew, erklärten RWE und Eon.

Bisher macht schon der von Russland rabattierte Gaspreis in der Ukraine eine Belieferung nach marktwirtschaftlichen Preisen unmöglich. Die Ukraine profitiert derzeit noch von den russischen Nachlässen und zahlt rund 270 US-Dollar (195 Euro) pro 1000 Kubikmeter für ihr Gas. Der Marktpreis in Westeuropa liegt dagegen bei 350 Dollar (252 Euro). Wenn die Rabatte wegfallen, soll der Preis um gut ein Drittel und damit ungefähr auf das westeuropäische Marktniveau steigen. Das dürfte schwere Folgen für die Wirtschaft des Landes haben. Ob die Ukraine dann noch westliche Lieferungen dauerhaft bezahlen könnte, bleibt offen.

Keine kurzfristige Option

Rein technisch gesehen wäre eine Unterstützung Kiews über das existierende Pipeline-Netz wohl kein Problem, sagte Heino Elfert vom Energie-Informationsdienst: "In Europa gibt es ausgedehnte Leitungen, da ist jedes Land mit jedem Land verbunden. Bei einem Bau zusätzlicher Pipelines wäre eine Mitversorgung der Ukraine aus dem Westen auch eine längerfristige Option - aber sicherlich keine kurzfristige."

Eon zählt mit modernen Gaskraftwerken zu den wichtigsten Energieerzeugern in Russland und ist zugleich der größte ausländische Investor im russischen Energiemarkt unter anderem mit einer 25-prozentigen Beteiligung am riesigen russischen Gasfeld Yushno-Russkoje.

Wenn bei Eon über die deprimierenden Zahlen der Erzeugung in Deutschland gesprochen wird, kommt stets der Hinweis auf die Erfolge und großen Pläne in Schwellenländern wie der Türkei, Brasilien und eben in Russland. Stark engagiert ist auch RWE - in das für den Essener Konzern katastrophale Geschäftsjahr 2013 brachte einzig eine Milliarden-Rückerstattung von Gazprom wegen zuvor überteuerter Gaslieferungen ein wenig Glanz.

Slowakei könnte einspringen

Eine Rettung der ukrainischen Versorgung aus Deutschland scheint also wenig wahrscheinlich. Möglicherweise kommt aber Hilfe aus kleineren Staaten der Region. Die Slowakei könnte nach Angaben des ukrainischen Energieministers Juri Prodan 10 Milliarden Kubikmeter liefern. Damit könnte Kiew möglicherweise einen Teil der wegfallenden russischen Rabatte ausgleichen. 2013 hatte die Ukraine noch mehr als die Hälfte ihres Erdgasbedarfs mit russischen Lieferungen gedeckt, die Schulden gegenüber Russland betragen derzeit nach Prodans Angaben rund zwei Milliarden US-Dollar.

Außerdem will Prodan Mitte März unter anderem mit EU-Energiekommissar Günther Oettinger über mögliche Ersatzlieferungen aus dem Westen sprechen. Mit einem politischen Mandat im Rücken könnte die Debatte über deutsche Lieferungen vielleicht eine ganz neue Wendung bekommen.