Deutsche Erdgasbranche will unabhängiger werden
Stand: 24.02.2012
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Hannover - Die Erdgasunternehmen in Deutschland sind abhängig von Importen aus dem Ausland. Die Erdgasförderung im eigenen Land durch die umstrittene Fracking-Methode könnte dieser Abhängigkeit ein Ende bereiten. Doch der Preis dafür ist hoch.
Die Erdgasbranche treibt die Erschließung neuer Vorkommen in Deutschland trotz heftiger Kritik weiter voran. In der Debatte um eine sichere Energieversorgung und Ergänzung erneuerbarer Energiequellen dringen die Unternehmen darauf, die Potenziale beim unkonventionellen, im Gestein gebundenen Gas nutzen zu können - und setzen dazu nach wie vor auch auf das umstrittene Fracking-Verfahren.
"Ohne zusätzliches Erdgas wird die Energiewende in Deutschland nicht zu meistern sein", sagte der Vorsitzende des Wirtschaftsverbands Erdöl- und Erdgasgewinnung (WEG) und Europa-Chef von ExxonMobil, Gernot Kalkoffen, am Donnerstag zur Begründung in Hannover. Man wisse jedoch um die Bedenken und werde das Gespräch mit Bürgern und Umweltorganisationen stärker suchen, versprach er.
Skepsis bei den Bürgern
Vor allem in Nordrhein-Westfalen ist die Skepsis gegenüber der Anbohrung von Tiefengestein zur Gasgewinnung groß. Kritiker befürchten, dass das dabei unter Hochdruck in die Schichten gepresste Gemisch aus Sand, Wasser und Chemikalien in das Grundwasser gelangen kann. Auch Hans-Joachim Reck, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen, sieht erhebliche Gefahren: "Neben den natürlichen Bohrrisiken müssen der Einsatz und Verbleib von Chemikalien und die umweltgerechte Entsorgung des stark belasteten Lagerstättenwassers geklärt werden", forderte er in Berlin.
"Wir sind dort aber noch weit davon entfernt, Fracking zu machen", stellte Kalkoffen mit Blick auf NRW klar. Es gehe zunächst darum, Probebohrungen zu beantragen. "Und wir wollen nicht da bohren, wo Kohlegruben waren", sagte er zu Ängsten vor möglichen Mini-Erdbeben. Bis zur Vorlage einer Studie im Sommer werde die Landesregierung ohnehin keine Genehmigung erteilen.
Niedersachsen ist die Gasmetropole
95 Prozent der gesamten deutschen Erdgasförderung fänden zurzeit in Niedersachsen statt. Proteste der Bevölkerung nehme er sehr ernst, sagte der ExxonMobil-Mann: "Wir müssen den Dialog intensivieren." Die nach Verbandsangaben bislang mehr als 300 Fracking-Anwendungen in Deutschland zeigten, dass die Methode sicher sei. Lecks bei normalen Bohrungen würden mit dem TÜV und den Behörden sorgfältig geprüft, kämen allerdings selten vor. 2011 habe es vier solcher Fälle gegeben.
Die inländische Erdgasförderung der Mitgliedsfirmen mit rund 9000 Beschäftigten sank 2011 leicht um 0,8 auf 11,9 Milliarden Kubikmeter. In den Vorjahren waren die Rückgänge größer. "Wir haben es geschafft, zumindest den Abstieg zu verlangsamen", sagte Kalkoffen. 14 Prozent der deutschen Versorgung stammten aus einheimischem Gas.
Reserven seien riesig
Dem WEG zufolge sind die Reserven riesig: Sie lägen hierzulande noch bei 125 Milliarden Kubikmetern. Auch dies sei ein Argument für den Einsatz neuer Bohrtechniken, sagte Kalkoffen - vier Fünftel der erwarteten Menge entfielen auf unkonventionelle Bestände an Schiefer- und Kohleflözgas. Im Ausland holten deutsche Firmen zuletzt 14,9 Milliarden Kubikmeter Gas aus der Tiefe, die Menge blieb fast stabil.
Im Erdölgeschäft legte die Inlandsförderung um 0,2 auf 2,7 Millionen Tonnen zu, während sie im Ausland von 8,1 auf 4,6 Millionen Tonnen einbrach. Die politischen Umwälzungen in Nordafrika hätten ins Kontor geschlagen, sagte WEG-Vize und Wintershall-Vorstand Martin Bachmann: "Durch den mehrmonatigen Produktionsstopp in Libyen hat sich die Ölproduktion in der Region von 5,9 auf 2,4 Millionen Tonnen mehr als halbiert."
Trend zu höheren Gaspreisen
In Deutschland wird es nach den Worten von RWE-Dea-Vorstandschef Thomas Rappuhn neben der Bohrinsel Mittelplate keine weiteren Einrichtungen im Wattenmeer der Nordsee geben. Derweil werde die angespannte Lage im Nahen Osten die Weltmarktpreise auf einem hohen Niveau halten, schätzte Rappuhn mit Blick auf die derzeitigen Rekordpreise für Sprit in Deutschland. "Wer hätte voraussehen sollen, dass da jemand ein Embargo ausspricht?", sagte er zu den Sanktionen der Europäischen Union gegen den Iran.
Auch Kalkoffen wollte weitere Kostensteigerungen für Raffinerien und Endverbraucher zumindest nicht ausschließen: "Es gibt einen gewissen Trend zu höheren Preisen." Neben den Erzeugern bestimmten jedoch vor allem Verarbeiter und Veredler von Mineralölerzeugnissen über den Preis für Fertigprodukte wie Benzin oder Heizöl mit.